Forschung
Forschungsgrundlage
Wer führt die Forschung zur Tiefenlagerung durch?
Nach heutigem Kenntnisstand gilt die Tiefenlagerung weltweit als die einzige Möglichkeit, hochradioaktive und/oder langlebige Abfälle sehr langfristig sicher von Mensch und Umwelt zu isolieren. Die Forschung zur Langzeitverwaltung dieser Abfälle wurde in unserem Land im Jahr 1974 durch das Kernforschungszentrum SCK CEN begonnen. Etwa zehn Jahre später wurde dies in die Zuständigkeit der NERAS überführt.
Auf welcher Grundlage wird die Forschung durchgeführt?
Die Forschung stützt sich auf ein umfangreiches Programm für Forschung, Entwicklung und Demonstration (FE&D) und konzentriert sich auf schwach verfestigten Ton als potenzielles Aufnahmegestein für ein Tiefenlager. Die NERAS führt einen Teil dieser Forschungsarbeiten durch und überträgt andere Forschungsarbeiten an belgische und ausländische wissenschaftliche Partner (wie Universitäten, Forschungszentren, Beratungsunternehmen und Industriepartner). Wir bestimmen den Bedarf und den Umfang aller Studien, diskutieren die Ergebnisse und sorgen dafür, dass alle Dimensionen des Programms integriert werden, damit ein sicheres Endlager gebaut werden kann. Seit Anfang der 1980er-Jahre nutzt unser Forschungsprogramm das unterirdische Labor HADES in Mol, mit dessen Bau das SCK CEN begonnen hat.
Die Forschung im Bereich der Behandlung von radioaktivem Abfall verfolgt international einen offenen und wissenschaftlichen Ansatz. Wissen und Erfahrungen werden ausgetauscht, Ressourcen werden gebündelt und Ergebnisse werden in der wissenschaftlichen Literatur veröffentlicht und einem Peer-Review unterzogen. So stützt sich das FE&D-Programm von der NERAS auf Kenntnisse, die weit über das hinausgehen, was im Rahmen der belgischen Forschung erworben wurde. Wir arbeiten daher sehr eng mit unseren Schwesterorganisationen und verschiedenen internationalen Organisationen zusammen.
Unterirdisches Labor
Warum wurde in unserem Land ein unterirdisches Labor gebaut?
Untergrunduntersuchungen bieten die Möglichkeit, die Sicherheitsfunktionen eines Endlagerungssystems unter realen Bedingungen zu studieren und seine Durchführbarkeit durch technische Demonstrationen nachzuweisen. Auf diese Weise kann das Fachwissen, das für die Realisierung eines Tiefenlagers, das alle Sicherheitsbedingungen erfüllt, erforderlich ist, durch In-situ-Forschung ergänzt werden.
Wer führt die Forschungsarbeiten im HADES durch?
Seit mehr als 40 Jahren forschen Wissenschaftler im HADES in Mol, dem ältesten Tonlabor Europas. Das Labor befindet sich in einer Tiefe von 225 Metern und ist über zwei Zugangsschächte zugänglich. Der Stollen, der die beiden Schächte verbindet, ist etwa 150 Meter lang. Die NERAS verwaltet und betreibt HADES zusammen mit dem Forschungszentrum SCK CEN. Seit 1995 geschieht dies unter dem Dach des wirtschaftlichen Kooperationsverbundes EURIDICE. Sowohl das Labor als auch die Forschung, die dort stattfindet, sind international führend. Im HADES selbst werden niemals radioaktive Abfälle gelagert werden.
Welche Ergebnisse haben diese Untersuchungen zur technischen Machbarkeit bereits erbracht?
Dank des Labors hat die NERAS viel Fachwissen über Ausgrabungs- und Bautechniken in schwach verfestigtem Ton erworben. Wir haben auch die notwendigen Studien über das Verhalten des Tons in der Umgebung der durch die Ausgrabungen gestörten Stollen durchgeführt. Die Ergebnisse bestätigten den plastischen Charakter des Tons, da sich die Risse von selbst wieder schlossen. Die Schlussfolgerung ist daher eindeutig: Der industrielle Bau eines unterirdischen Endlagers in schwach verfestigtem Ton ist mit der derzeit verfügbaren Technologie möglich.
Was ist der Zweck der Experimente?
Die Experimente in HADES ermöglichen es, Informationen über die Eigenschaften des Untergrunds zu sammeln, in dem ein Endlager gebaut werden kann. Sie bieten auch die Möglichkeit, die Interaktion des Tons mit radioaktiven Substanzen und von Menschenhand geschaffenen künstlichen Barrieren zu beobachten und zu verstehen. Es ist wichtig, diese Merkmale und Wechselwirkungen zu untersuchen, da sich die mechanischen und chemischen Eigenschaften der Tonschicht in 225 m Tiefe stark von denen an der Erdoberfläche unterscheiden.
Experimente
Welche Experimente werden im HADES durchgeführt?
HADES ist eine zugelassene Kernforschungseinrichtung der Klasse II, sodass wir dort eine Vielzahl von radioaktiven Quellen und Markierungen verwenden können. So können wir dort Experimente mit radioaktiven Stoffen unter realen Bedingungen durchführen. Ergänzt wird die Forschung durch Experimente in oberirdischen Labors und digitale Simulationen, um längerfristige Ergebnisse vorherzusagen. Außerdem werden groß angelegte Demonstrationstests im Untergrund durchgeführt, um die Ergebnisse der Experimente im kleinen Maßstab zu bestätigen und die Vorhersagemodelle zu verfeinern.
In dem unterirdischen Labor befinden sich Hunderte von Messgeräten. Sie werden bei Experimenten oder Bauarbeiten eingesetzt, um z. B. Wasserdruck, Temperatur und Verformungen an verschiedenen Stellen zu messen. Nach dem Einbau in den Ton sind die Messgeräte oft unzugänglich. Außerdem müssen sie wasserdicht sein und großem Druck standhalten können. Zahlreiche Sensoren wurden daher speziell angepasst und individuell hergestellt.
Woraus besteht das Heizexperiment PRACLAY?
Das groß angelegte Heizexperiment PRACLAY wurde im Jahr 2014 gestartet und ahmt die von hochradioaktiven Abfällen abgegebene Wärme nach. Bei dieser Studie wird ein einzelner 30 m langer Stollen zehn Jahre lang bei einer konstanten Temperatur von 80 °C an der Stelle beheizt, an der die Stollenwand und der Ton aufeinandertreffen. Anschließend untersuchen die Forschenden, wie sich die Hitze auf den Ton auswirkt. Sie messen u. a. den Druck und die Temperatur im Ton sowie den Druck und die chemische Entwicklung des Porenwassers im Ton. Alle bereits erzielten Ergebnisse bestätigen das vorhandene Wissen über das Verhalten von Ton beim Erhitzen. Sie zeigen insbesondere auch, dass die Eigenschaften, die schwach verfestigten Ton als Aufnahmegestein geeignet machen, auch nach längerer Hitzeeinwirkung erhalten bleiben.
Welche Forschung findet an der Oberfläche statt?
Ein Großteil der Forschung findet in oberirdischen Labors statt. Die Wissenschaftler untersuchen dort das mechanische Verhalten von Ton in speziell entwickelten Prüfständen oder messen die Wanderungsgeschwindigkeit radioaktiver Substanzen in Ton in einer überwachten Umgebung. Für diese oberirdischen Tests werden Proben von Boomschem Ton verwendet, die so wenig wie möglich gestört worden sind. Diese werden durch sogenannte Kernbohrungen gewonnen.
Warum sind digitale Simulationen für die Forschung wichtig?
Es ist wichtig zu zeigen, dass ein Tiefenlager auch längerfristig sicher ist. Dabei stützen sich die Wissenschaftler unter anderem auf digitale Modelle, die alle Komponenten des Endlagerungssystems umfassen und besonders lange Experimente simulieren. Die Ergebnisse der digitalen Simulationen werden mit denen von realen Experimenten verglichen. Auf dieser Grundlage können die Forschenden sowohl die Simulationen als auch die Experimente weiter verfeinern. Die digitalen Modelle helfen also, das Langzeitverhalten des Endlagers zu untersuchen und es noch sicherer zu machen.
Künftige Forschung
Welcher Forschungsbedarf besteht in Zukunft?
Einerseits ermöglicht es das FE&D-Programm, die erworbenen Kenntnisse und Erfahrungen zu bestätigen, zu verfeinern und zu integrieren, um die verbleibenden Ungewissheiten zu verringern und die Sicherheitsmargen zu erhöhen. Andererseits sollte das FE&D-Programm flexibel sein und sich an die Entwicklung des technischen, wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Umfelds anpassen. Die Entwicklung eines Tiefenlagers und seine schrittweise Verwirklichung werden mehrere Jahrzehnte dauern.
Die NERAS und SCK CEN haben sich verpflichtet, ihre Zusammenarbeit im HADES mindestens bis 2045 fortzusetzen, sowohl um bestehende Experimente abzuschließen als auch um neue Experimente zu entwickeln. Sobald ein Standort für das Endlager ausgewählt ist, muss auch ein spezielles FE&D-Programm in Angriff genommen werden.
Internationale Zusammenarbeit
Mit welchen Organisationen arbeitet die NERAS in der Forschung zusammen?
HADES ist kein isoliertes Forschungslabor. So spielte die Europäische Kommission mit ihren Forschungsprogrammen und -budgets eine entscheidende Rolle bei der Einrichtung des Labors selbst und bei zahlreichen Experimenten. Darüber hinaus arbeiten wir eng mit internationalen Organisationen und unseren Schwesterorganisationen aus verschiedenen Ländern zusammen. Außerdem sind diese Kooperationen ohne vollständige Transparenz der Forschungsergebnisse nicht möglich. So wird unsere Forschung in wissenschaftlichen Zeitschriften veröffentlicht und auf verschiedenen Konferenzen weltweit vorgestellt.
Ein Beispiel für eine internationale Initiative, an der die NERAS beteiligt ist, ist die von der Europäischen Kommission unterstützte Konsultationsplattform IGD-TP. Ihr gehören Einrichtungen zur Abfallbehandlung aus zwölf verschiedenen Ländern an. Die Plattform konzentriert sich auf die Tiefenlagerung und initiiert eigene Forschungsprojekte. Wir beteiligen uns auch am europäischen Forschungsprogramm EURAD, an internationalen Konferenzen, Kolloquien und Tagungen zum Thema Ton (z. B. Clay Conference) und geologische Endlagerung, insbesondere der Nuclear Energy Agency (NEA) (z. B. ICGR, IGSC) sowie an Workshops der International Atomic Energy Agency (IAEA). Darüber hinaus ist die NERAS Teil der internationalen Vereinigung EDRAM und der Konsultationsplattform IDKM. Letztere konzentriert sich auf die Frage, wie das Wissen über Endlager langfristig erhalten und weitergegeben werden kann.
Ethik und Gesellschaft
Warum gibt es ethische Herausforderungen bei der Tiefenlagerung?
Die Langzeitverwaltung von hochradioaktiven und/oder langlebigen Abfällen ist nicht nur eine technisch-wissenschaftliche, sondern auch eine gesellschaftliche Frage. Dies bringt erhebliche ethische Herausforderungen mit sich. Die Entscheidung über die Endlagerung der Abfälle wird also noch Hunderttausende von Jahren Auswirkungen haben. Hinzu kommt, dass es zum Zeitpunkt der Entscheidung immer noch Unsicherheiten geben wird.
Der Schutz künftiger Generationen und die Vermeidung unnötiger Belastungen sind zwei zentrale Anliegen bei der Langzeitverwaltung radioaktiver Abfälle. Es ist eine Frage der Generationengerechtigkeit. Und bei Gerechtigkeit geht es um Ausgewogenheit. Dieses Gleichgewicht muss nicht nur zwischen den Generationen, sondern auch innerhalb jeder Generation gefunden werden, um die Interessen aller betroffenen Parteien in Einklang zu bringen (intragenerationale Gerechtigkeit). Die Herausforderung, der sich die NERAS stellen muss, besteht darin, Optionen für künftige Generationen offen zu halten, ohne deren Sicherheit oder die unserer Zeitgenossen zu gefährden.
Welche ethischen Studien führen wir durch?
Seit mehreren Jahren führt die NERAS gemeinsam mit der Université Libre de Bruxelles (ULB) ethische Studien durch, um besser zu verstehen, was mit dem „Schutz künftiger Generationen“ gemeint ist und welche Rechte und Pflichten dieser Grundsatz beinhaltet. Diese Studien sollten Erkenntnisse liefern, die es der Gesellschaft ermöglichen, fundierte Entscheidungen unter Berücksichtigung aller aktuellen und künftigen Herausforderungen zu treffen. Viele der mit der Universität durchgeführten Studien wurden bereits veröffentlicht und von Fachleuten begutachtet.
Der Beitrag von der NERAS ist von wesentlicher Bedeutung, da er die Durchführung von Studien zu spezifischen technischen Themen mit einem pragmatischen und pluralistischen Ansatz ermöglicht. Diese Arbeit ist ein Beitrag zur umfangreichen Literatur über die Behandlung von radioaktivem Abfall, über die Umsetzungsmodalitäten von Lagerungslösungen, über den Vergleich von Optionen und die Handhabung von Ungewissheiten, sowohl in technischer Hinsicht als auch im Hinblick auf die Entwicklung unserer menschlichen Gesellschaften.